Das OLG München hat sich in seinem Urteil vom 14.10.2014, Az: 7 U 2604/13 mit der außerordentlichen Kündigung eines langfristigen Franchisevertrages durch den Franchisegeber befasst. Anders als das Kammergericht in seinem damaligen Burger King I – Urteil (KG Berlin, Urteil vom 21.11.1997 – Az. 5 U 5398/97) gelangt es zur Wirksamkeit der Kündigung.
I. Sachverhalt
Die klagende Franchisenehmerin betrieb ein Fastfood-Restaurant im Franchisesystem der Beklagten (Burger King). Mit ihrer Klage nahm sie die Franchisegeberin wegen einer (angeblich) unberechtigten außerordentlichen Kündigung des Franchisevertrages auf Schadensersatz in Anspruch.
Die vereinbarte Vertragslaufzeit betrug 20 Jahre. Die Franchisenehmerin hatte die Räumlichkeiten des Franchisebetriebes von der Franchisegeberin gemietet. Das Inventar des Betriebes hatte sie von der Franchisegeberin gepachtet, was mit erheblichen Anfangsinvestitionen verbunden war.
Die Franchisegeberin führte mehrfach – u. a. am 14.12.2011, 05.01.2012, 07.02.2012 – Betriebsprüfungen bei der Franchisenehmerin durch, die Mängel bei der Restaurantführung der Franchisenehmerin ergaben. Im Rahmen der Betriebsprüfungen wurden u. a. folgende Verstöße gegen den Franchisevertrag, Richtlinien des Systems bzw. Anweisungen nach dem Franchise-Handbuch festgestellt:
- Mitarbeiter trugen in der Küche keine Kopfbedeckung;
- teilweise trugen Mitarbeiter private Kleidung und keine Dienstkleidung;
- Verwendung von Lebensmitteln, deren Mindesthaltbarkeitsdatum bereits abgelaufen war;
- wiederholte Ungenauigkeiten im Umgang mit der Temperaturmessung der Hackfleischbrätlinge (Pattys);
- Lagerung einer Fleischzange entgegen der Vorschriften nicht in, sondern auf der Tiefkühltruhe;
- Unterlassen der Reinigung der Hände bei Wechsel zwischen Kassenbereich und Küche;
- Schichtführer konnte bei der Betriebsführung kein Schichtführerzertifikat vorlegen;
- Mängel des Reinigungsbürsten-Sets zur Reinigung der Shake-Eismaschine;
- mehrfaches Nichtvorhandensein von stillem Wasser im Warensortiment;
- Verwenden von Tomaten Endstücken zum Belegen von Burgern entgegen der einheitlichen Standards des Franchisesystems;
- Bewerben von Sommer-Desserts im Winter, obwohl diese teilweise ausverkauft waren.
Die Franchisegeberin mahnte die Franchisenehmerin zweimal mit Schreiben vom 19.12.2011 und vom 17.01.2012 wegen der Nichteinhaltung der vertraglichen Vorgaben an, wobei nicht jeder der oben aufgeführten Punkte in der Abmahnung enthalten war. Zudem kündigte die Franchisegeberin in den Schreiben an, dass sie das Vertragsverhältnis beenden werde, wenn die Franchisenehmerin sich nicht in Zukunft vertragskonform verhalten werde.
Nach den Abmahnungen kündigte die Franchisegeberin mit Schreiben vom 14.02.2012 den Franchisevertrag außerordentlich fristlos gestützt auf die festgestellten Mängel in den drei Betriebsprüfungen vom 14.12.2011, 05.01.2012 und 07.02.2012.
Die Franchisenehmerin war der Auffassung, dass die Kündigung unwirksam sei, da die festgestellten Pflichtverletzungen isoliert betrachtet und auch nach dem Franchisevertrag nicht zur außerordentlichen Kündigung berechtigen würden. Die Klage der Franchisenehmerin wurde erstinstanzlich abgewiesen. Die Franchisenehmerin verfolgte daraufhin ihr Klagebegehren mit der Berufung vor dem OLG München.
II. Entscheidungsgründe
Das OLG München bestätigte das erstinstanzliche Urteil.
Isoliert betrachtet würden die einzelnen Pflichtverletzungen zwar keine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Die Mehrzahl einzelner Pflichtverstöße, auch wenn sie einzeln nicht die Wesentlichkeitsschwelle überschritten, berechtigten aber zur außerordentlichen Kündigung, wenn sich in der Gesamtschau unter Abwägung der beiderseitigen Interessen und bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles ergebe, dass der Franchisegeberin die Fortsetzung des Franchisevertrages nicht mehr zumutbar sei.
Vorliegend lasse die Zusammenschau sämtlicher Pflichtverletzungen, zumal über einen längeren Zeitraum, eine fristlose Kündigung vertretbar erscheinen. Dies gelte insbesondere für die festgestellten Pflichtverletzungen im Bereich Hygiene und der Behandlung und Verwendung von Lebensmitteln, die durchaus geeignet seien, das Ansehen der Marke Burger King in der Öffentlichkeit nachhaltig zu beeinträchtigen. Dies schädige sowohl die Franchisenehmerin, als auch die Franchisegeberin und die anderen Franchisenehmer. Die Franchisegeberin sei daher in ihrem eigenen Interesse und im Interesse der anderen Franchisenehmer gehalten gewesen, die Geschäftsbeziehung zur Franchisenehmerin zu beenden.
Hierbei müsse das Interesse der Franchisenehmerin am Fortbestand des Vertragsverhältnisses zurücktreten. Zwar sei das Lokal der einzige Erwerbszweig der Franchisenehmerin gewesen, womit diese durch die Kündigung in ihrer Existenz bedroht sei; jedoch rechtfertige dies nicht die dargestellte Gefährdung des Markenimages der Franchisegeberin. Soweit die Franchisenehmerin rüge, dass durch die außerordentliche Kündigung die von ihr getätigten Investitionen nicht mehr zu amortisieren seien, entgegnete das OLG München, dass die Franchisenehmerin nicht Eigentümerin, sondern nur Pächterin des Restaurants gewesen sei und die getätigten Investitionen sich „nur“ auf das Inventar bezogen hätten.
Auch der Einwand der Franchisenehmerin, dass die restliche Vertragslaufzeit noch elf Jahre betrage, führe ebenso nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Zu berücksichtigen sei, dass die lange Restlaufzeit eines befristeten Vertrages bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Schuldverhältnisses gerade auch zugunsten des Kündigenden ins Gewicht fallen könne. Es sei daher der Franchisegeberin nicht zumutbar, den befristeten Vertrag, der eine vorzeitige ordentliche Kündigung gerade nicht zulasse, trotz mehrfacher Pflichtverletzungen bis zum Ablauf der Restlaufzeit fortzuführen.
Die Gesamtbetrachtung ergebe, dass die Vielzahl der Pflichtverletzungen, die zudem potenziell imageschädigend seien, dazu führe, dass die Interessen der Franchisegeberin an der vorzeitigen Beendigung des Franchisevertrages das Interesse der Klägerin an dessen Fortsetzung überwiegen.
Das OLG München sah auch das Erfordernis der vorherigen Abmahnung nach § 314 Abs. 2 BGB als erfüllt an. Die Franchisegeberin habe mit ihren beiden Abmahnschreiben deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie im Falle der fortgesetzten Mängel in der Einhaltung der Vorgaben des Franchisesystems und der Nichteinhaltung der von der Franchisegeberin und den Gästen erwarteten Standards den Franchisevertrag außerordentlich kündigen werde, wenn keine Verhaltensänderung der Franchisenehmerin eintrete. Die Abmahnungen und Kündigung enthielte4n damit wesensähnliche Vorgänge.
Dass die Franchisegeberin nach früheren Abmahnschreiben untätig geblieben sei, sei unerheblich, da dies zeige, dass die Franchisenehmerin bereits seit Jahren den Standards nicht genüge. Nur weil die Franchisegeberin das Verhalten der Franchisenehmerin vor Jahren geduldet habe, könne ihr dies nicht zum Nachteil gereichen. Die Kündigung der Franchisegeberin sei auch nicht vorgeschoben, um die Franchisenehmerin „loszuwerden“.
Sofern die Franchisenehmerin sich damit rechtfertige, dass Lebensmittel- bzw. gaststättenrechtliche Kontrollen ihres Restaurants keine oder nur geringfügige Beanstandungen ergeben hätten, greife dieses Argument nicht. Diese Kontrollen hätten zum einen zeitlich vor den hiesigen Betriebsprüfungen stattgefunden und zum anderen hätten nd die Lebensmittelkontrolleure zudem öffentlich-rechtliche Pflichten der Franchisenehmerin gegenüber der Allgemeinheit geprüft, nicht jedoch die Einhaltung von Pflichten aus dem Franchiseverhältnis.
III. Fazit
Die Entscheidung des OLG München macht deutlich, dass auch eine Vielzahl von isoliert betrachtet nicht zur außerordentlichen Kündigung berechtigenden Pflichtverletzungen im Rahmen einer Gesamtschau eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann.
Beachtlich ist weiter, dass das OLG München einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinne des § 314 Abs. 1 BGB nicht in der Verletzung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften, sondern in der Gefahr der Rufschädigung, die mit der Verletzung lebensmittelrechtlicher Vorschriften für das Franchisesystem insgesamt verbunden ist, gesehen hat.
Zudem muss eine Gesamtschau der Pflichtverletzungen eine außerordentliche Kündigung auch vertretbar erscheinen lassen. Das OLG München hat klargestellt, dass dies stets der Fall ist, wenn das Ansehen und der gute Ruf eines Franchisesystems in der Öffentlichkeit beeinträchtigt wird und damit gleichzeitig Gefahren für anderen Franchisenehmer des Systems verbunden sind. Ein Franchisegeber habe darauf zu achten, dass Schaden von anderen Franchisenehmern abgewendet wird.
Auch dem Grundsatz der Gleichbehandlung sollte in den vorliegenden Konstellationen Aufmerksam gewidmet werden. Spricht ein Franchisegeber in gleich gelagerten Fällen gegenüber anderen Franchisenehmern keine außerordentliche Kündigung aus, so kann dies unter Umständen zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Dies ist jedoch stets eine Frage des Einzelfalles.
Die Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann zu erheblichen Schadenersatzforderungen des gekündigten Vertragspartners führen. Der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung – sei es von Seiten des Franchisegebers, sei es von Seiten des Franchisenehmers – sollte daher nicht ohne anwaltliche Begleitung ausgesprochen werden.