Die interessante Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 19.07.2011 – Az. VI ZR 367 / 09) betrifft das Franchisesystem „Der Kartuschen-König“, das die Wiederbefüllung von Druckerpatronen etc. im Einzelhandel durch selbständige Franchisenehmer zum Gegenstand hat.
1. Sachverhalt:
Wie so häufig, wurde von Seiten der Franchisegeber-GmbH ein individueller auf den zukünftigen Standort zugeschnittener Businessplan dem angehenden Franchisenehmer übergeben.
Die Franchisegeber-GmbH verfügte zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlung der Parteien lediglich über einen Pilotbetrieb, nicht jedoch über weitere Franchisenehmer-Betriebe. Wie lange der Pilotbetrieb vor dem Erstkontakt der Parteien im Dezember 2004 bereits existierte, war streitig. Das erstinstanzlich befasste Landgericht Köln ging von einer maximalen Dauer von 11 Monaten aus.
Der dem Franchisenehmer überreichte Muster-Businessplan zum Zeitpunkt der ersten Begegnung im Jahre 2004 operierte offensichtlich mit Zahlen, die auch in Bezug auf den bestehenden Pilotbetrieb der Franchisegeber-GmbH nur Prognosen darstellen konnte, da der Pilotbetrieb noch kein volles Jahr bestand, während der Businessplan bereits Angaben zu einem vollen Jahresumsatz enthielt. Welche konkreten Umsatzzahlen Grundlage für die Prognose des Muster-Businessplans war und wann konkret die Prognose erstellt wurde, blieb unklar.
Der Ende Januar 2005 dem Franchisenehmer überreichte, auf seinen Standort zugeschnittene Businessplan enthielt erneut diese Zahlen aus dem zuerst überreichten Muster-Businessplan. In der Planerläuterung hieß es, dass die in der Planung enthaltenen Umsatzerlöse aus dem Pilotbetrieb der Franchisegeber-GmbH stammten und die Maschinenausstattung dieses Betriebs so ausgewählt sei, dass Kapazitätsauslastungen erst ab einer Umsatzgröße von ca. € 600.000 erreicht werden.
Nach Abschluss eines Lizenz- und Franchisevertrages am 28.02.2005 eröffnete der Franchisenehmer am 15.05.2005 seinen Geschäftsbetrieb und errichtete an die Franchisegeber-GmbH eine Einstiegsgebühr in Höhe von € 25.000.
Wegen der (zu) niedrigen Umsätze des Franchisenehmers kam es zu Streitigkeiten zwischen den Parteien. Mit Schreiben vom 27.11.2006 kündigte die Franchisegeber-GmbH den Franchisevertrag mit der Klägerin. Der Franchisenehmer macht neben Schadenersatzansprüchen wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung durch unrichtige Tatsachenangaben in der Umsatzprognose gegen die Franchisegeber-GmbH auch Schadensersatzansprüche gegen den Geschäftsführer der Franchisegeber-GmbH persönlich geltend.
OLG Köln, das Berufungsgericht, knüpfte sowohl bei der Aufklärungspflichtverletzung der Franchisegeber-GmbH als auch bei der haftungsbegründenden Täuschung des Geschäftsführers der Franchisegeber-GmbH die Haftung daran, dass dieser individuelle Businessplan nicht die tatsächlich erreichten Umsätze des Pilotbetriebs benannt, sondern erneut wieder die Zahlen aus dem zuerst überreichten Muster-Prospekt heranzog.
2. Entscheidungsgründe:
Während das Landgericht die Klage sowohl gegen die Franchisegeber-GmbH als auch gegen den Geschäftsführer abgewiesen hatte, verurteilte das OLG Köln sowohl die Franchisegeber-GmbH nach §§ 311 Abs. 2, 241, 280 BGB wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten und den Geschäftsführer gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB aus unerlaubter Handlung wegen einer aktiven Täuschung haftet, da der Geschäftsführer durch die Übersendung des Businessplans an den Franchisenehmer falsche Vorstellungen über die zu erwartende Umsatzentwicklung hervorgerufen habe.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrte der beklagte Geschäftsführer die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, soweit es ihn betrifft, also die Klageabweisung.
In seiner Entscheidung gelangte der Bundesgerichtshof zu der Auffassung, dass auf dieser
Bekanntlich haften die Geschäftsführer von Franchisegeber-GmbH nicht persönlich für etwaige Pflichtverletzungen im Rahmen von vorvertraglichen Aufklärungsschuldverhältnissen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn a) der Geschäftsführer der Franchisegeber-GmbH gemäß § 311 BGB (ausnahmsweise) im besonderen Maße ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat und dadurch den Abschluss des Franchisevertrages erheblich beeinflusst hat („dass Sie an diesem Standort mit Sicherheit erfolgreich sein können, kann ich persönlich versichern“) oder b) im Rahmen einer sog. unerlaubten Handlung nach § 823 Abs. 2 BGB. Diese unerlaubte Handlung sieht die Verletzung eines sog. Schutzgesetzes voraus. Ein derartiges Schutzgesetz zugunsten des Franchisenehmers ist der Tatbestand des Betruges nach § 263 StGB. Die Haftung des Geschäftsführers der Franchisegeber-GmbH setzt damit die Verwirklichung des Tatbestandes eines (versuchten) Betruges voraus, also die Verwirklichung eines strafrechtlichen Deliktes.
Nachdem das OLG Köln die Verwirklichung des Tatbestandes des § 263 StGB bejaht hatte, hob der Bundesgerichtshof die Verurteilung des Beklagten Geschäftsführers auf und verwies den Rechtstreit zurück an das Berufungsgericht, da auf der vom LG Köln / OLG Köln festgestellten Tatsachengrundlage eine Haftung des Geschäftsführers der Franchisegeber-GmbH aufgrund einer sogenannten unerlaubten Handlung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung § 263 StGB nicht begründet werden könne.
Die Prüfung der Verwirklichung des Tatbestandes des § 263 StGB setz voraus, dass a) eine Täuschung des Geschäftsführers der Franchisegeber-GmbH vorliegt, b) ursächlich dadurch ein Irrtum des Franchisenehmers erzeugt wird, der c) ursächlich zu einer Vermögensverfügung und einem Vermögensschaden des Franchisenehmers führt, der d) stoffgleich mit dem Vermögensvorteil ist, den der Geschäftsführer für sich oder der Franchisegeber-GmbH herbeizuführen beabsichtigt. Darüber hinaus muss der Geschäftsführer hinsichtlich sämtlicher Voraussetzungen nach a) bis c) vorsätzlich und mit Bereicherungsabsicht handeln.
In seiner Entscheidung lässt der Bundesgerichtshof die Voraussetzung a) offen und beschäftigt sich lediglich mit der Frage, ob ein Irrtum auf Seiten des Franchisenehmers, ein Vermögensschaden des Franchisenehmers aufgrund einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung und eine Absicht des Geschäftsführers zu einer rechtswidrigen Bereicherung vorliegt.
Der Bundesgerichtshof führt in seiner Entscheidung zunächst aus, dass die Darlegung- und Beweislast für sämtliche der oben genannten Voraussetzungen des § 263 StGB beim klagenden Franchisenehmer liege.
Der Bundesgerichtshof bemängelte hier bereits, dass die der durch die Täuschung erregte Irrtum des Franchisenehmers (s.o. b)) nicht festgestellt sei. Insoweit bestand die Besonderheit, dass es sich bei dem klagenden Franchisenehmer um einen Akademiker und eine ehemalige Führungskraft handelte, die geschäftlich nicht völlig unerfahren war. Soweit an dieser Stelle Unklarheiten verblieben, gehe dies, so der Bundesgerichtshof, zu Lasten des klagenden Franchisenehmers.
Auch das Vorliegen eines Vermögensschadens (s. o. c)) aufgrund irrtumsbedingter Vermögensverfügung des Franchisenehmers sah der Bundesgerichtshof als nicht erwiesen an. Zwar könne bei einem Betrug bei Abschluss eines Franchisevertrages auch bereits der Abschluss eines Vertrages einen Vermögensschaden darstellen. Ein Vermögensschaden liege hier jedoch nur dann vor, wenn der Vergleich der Vermögenslagen vor und nach Abschluss des Franchisevertrages ergibt, dass der Franchisenehmer durch den Vertragsschluss wirtschaftlich schlechter gestellt werde, sei es weil das Versprochene gegenüber der Leistung des Getäuschten (also: die Eintrittsgebühr) minderwertig sei oder weil der versprechende Franchisegeber leistungsunfähig oder leistungsunbillig sei. Der Bundesgerichtshof weist an dieser Stelle auch darauf hin, dass ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 StGB nur ein unmittelbarer Vermögensschaden sei. Die dem Franchisenehmer infolge mangelhafter Durchführung des Vertrages später entstehenden Vermögenseinbußen seien keine Vermögenschäden im Sinne des § 263 StGB, weil es insoweit an der erforderlichen Stoffgleichheit zwischen dem Schaden und dem angestrebten Vermögensvorteil fehle. Etwaige Verluste während der Führung des Franchisenehmer-Betriebes sind daher beim sog. Eingehungsbetrug kein Vermögensschaden im Sinne des § 263 StGB.
Schließlich zweifelte der Bundesgerichtshof auch an dem Betrugsvorsatz des Geschäftsführers. Der Betrugsvorsatz sei nicht schon dann gegeben, wenn der täuschende Geschäftsführer finanzielle Verluste des getäuschten Franchisenehmers durch den Abschluss des Franchisevertrages für möglich halte. Die bloße Kenntnis einer potenziellen Vermögensgefährdungslage genügt für die Annahme des subjektiven Tatbestandes hinsichtlich des Vermögensschadens iSd § 263 StGB nicht. Erforderlich sei vielmehr, dass der Franchisenehmer aus Sicht des Geschäftsführers ernstlich mit wirtschaftlichen Nachteilen zu rechnen habe. Dieses Erfordernis sei regelmäßig dann nicht erfüllt, wenn der Eintritt wirtschaftlicher Nachteile bei Vertragsabschluss nicht unmittelbar überwiegend wahrscheinlich ist, sondern von zukünftigen Ereignissen abhängt.
3. Fazit:
Mit der hier besprochenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs sollte die Inanspruchnahme von Geschäftsführern von Franchisegeber-GmbHs oder sonstigen Franchisegeber-Kapitalgesellschaften für Pflichtverletzungen im Rahmen vorvertraglicher Aufklärungsschuldverhältnisse deutlich erschwert worden sein.
Die Fallkonstellation eine Haftung wegen unerlaubter Handlung aufgrund der Verwirklichung des Straftatbestandes des Betruges nach § 263 StGB soll regelmäßig ausscheiden. Der dafür erforderliche Vermögensschaden des Franchisenehmers, der durch den Abschluss des Franchisevertrages entstehen muss, setzt voraus, dass die Leistung der Franchisegeber-GmbH gegenüber der vom Franchisenehmer geleisteten Eintrittsgebühr minderwertig ist. Selbst wenn es dem Franchisenehmer an dieser Stelle jedoch gelingt, ein Ungleichgewicht zwischen den wechselseitigen Leistungen nachzuweisen, sollte es dann regelmäßig an einem Betrugsvorsatz des Geschäftsführers fehlen, da dieser grundsätzlich davon ausgehen wird, dass ein Gleichgewicht zwischen der gezahlten Eintrittsgebühr und den Leistungen der Franchisegeber-GmbH besteht.
Soweit Franchisenehmer Geschäftsführer der Franchisegeber-GmbH, insbesondere im Falle zu befürchtender Insolvenz der Franchisegeber-GmbH selbst in Anspruch nehmen, wird nach unserer Auffassung die Haftungsgrundlage der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens durch den Geschäftsführer nach § 311 Abs. 3 BGB in den Vordergrund rücken. Auch hier wird eine persönliche Haftung des Geschäftsführers der Franchisegeber-GmbH jedoch die Ausnahme für die Fälle bilden, in denen der Geschäftsführer den Abschluss des Franchisevertrages ursächlich dadurch beeinflusst hat, dass er einen besonderen Vertrauenstatbestand gerade in seiner Person gegenüber dem Franchisenehmer erzeugt hat.