- Sachverhalt (vereinfacht)
- Die Beklagte ist ein international tätiges Import- und Großhandelsunternehmen mit einer Online-Bestell-Plattform mit Kunden-Accounts für Händler. Die Klägerin vertreibt u.a. auf ihrer eigenen Online-Plattform Produkte der Beklagten. Sie unterschritt zwischen 2016 und 2018 regelmäßig die unverbindlichen Preisempfehlungen der Beklagten. Die Beklagte hat nach Angabe der Klägerin angeblich als Reaktion darauf eine Sperrung des Händler-Accounts der Klägerin vorgenommen, um Druck auf sie auszuüben, damit ihre Preisvorgaben eingehalten werden.
Gegenstand der Klage ist die Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe kartellrechtlich unzulässig in ihre Preisgestaltung eingegriffen. Sie klagt daher auf Unterlassung und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten.
- Unstreitig ist, dass die Beklagte, nachdem sie von einem Kunden darauf aufmerksam gemacht worden war, dass die Klägerin diverse Artikel aus ihrem Sortiment zu Preisen unterhalb der Einkaufspreise anbot im Sommer 2018 zwei E-Mails an die Klägerin geschrieben hat. Sie bat zunächst um Aufklärung, weshalb sie mit „sehr aggressiven Preisen am Markt“ auftrete. In der Folgezeit hat die Beklagte die Klägerin ferner vergeblich in mehreren Telefonaten darum gebeten, sämtliche nicht lagermäßig vorhandenen Produkte aus ihren Shops zu entfernen und die Preispolitik zu überdenken. Schließlich verwies die Klägerin einen Kunden zwecks einer Reklamation und auch wegen einer Kostenerstattung an die Beklagte. Diese Vorgehensweise führte dazu, dass die Beklagte die weitere Zusammenarbeit als problemtisch bewertete. Sie schlug der Klägerin vor, die Produkte komplett auszulisten und sich auf andere Hersteller zu konzentrieren. Die Beklagte sperrte schließlich den Händler-Account der Klägerin und stellte die Belieferung ein.
- Die zunächst beim Landgericht Dortmund erhobene Klage wurde abgewiesen. Es sei auch nicht schlüssig vorgetragen, dass die Einstellung der Belieferung der Klägerin durch die Beklagte wegen der Preisgestaltung der Klägerin erfolgt sei. Unstreitig seien auch deren fehlende Lagerhaltung in Bezug auf die von ihr angebotenen Artikel der Beklagten, der Verweis der Kunden an die Beklagte bei Gewährleistungsansprüchen und die fehlende Erreichbarkeit der Klägerin bei wechselnden Adressenangaben zwischen den Parteien ein Thema gewesen. Zudem habe die Klägerin weder die Grundsätze der Vergeltungssperre berücksichtigt noch zum Merkmal der Spürbarkeit oder zum Bestehen eines kartellrechtlichen Belieferungsanspruches hinreichend vorgetragen.
- Die Berufung der Klägerin ist auch vor dem OLG Düsseldorf erfolglos geblieben.
- Entscheidungsgründe
Nach Auffassung des OLG Düsseldorf ist die Berufung der Klägerin unbegründet. Mangels eines kartellrechtswidrigen Verhaltens der Beklagten stünden der Klägerin die Ansprüche auf Schadensersatz nicht zu. Denn das mit der Klage gerügte Verhalten der Beklagten verstoße nicht gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften.
- Die Klägerin könne von der Beklagten nicht verlangen, dass diese auf die Preisgestaltung der Weiterverkaufspreise zukünftig nicht mehr, wie durch die beiden E-Mails im Sommer 2018 geschehen, Einfluss nehme oder dies versuche. Der Inhalt der beiden E-Mails verwirkliche nicht den Tatbestand des Kartellverbots (§ 1 GWB, Art. 101 AEUV).
- a) Eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung hätten die Parteien in Bezug auf die Weiterverkaufspreise der Klägerin nicht getroffen.
Ausweislich des Schriftverkehrs habe sich die Klägerin ausdrücklich dagegen verwahrt, ihre Preispolitik an die Preisempfehlungen der Beklagten anzupassen. An dieser Position habe die Klägerin in der weiteren Korrespondenz bis zum Schluss festgehalten.
- b) Ein auf die Weiterverkaufspreise der Klägerin gerichtetes abgestimmtes Verhalten sei gleichfalls nicht festzustellen.
Erforderlich sei dafür eine Koordinierung des Marktverhaltens der Parteien, indem – in der Regel über den Austausch wettbewerbsrelevanter Informationen – bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs gesetzt werde (BGH, Urteil vom 12.4.2016, KZR 31/14 „Gemeinschaftsprogramme“). Der Annahme eines zwischen den Parteien koordinierten Marktverhaltens stehe die Tatsache entgegen, dass sich die Klägerin geweigert habe, der Preispolitik der Beklagten zu folgen, und die Beklagte ausdrücklich erklärt habe, keinen Einfluss auf das Preissetzungsverhalten der Klägerin nehmen zu wollen.
- Eine Prüfung des Schriftverkehrs ergebe, dass der Inhalt der E-Mails auch nicht den Verbotstatbestand des § 21 Abs. 2 GWB erfülle.
- a) Nach § 21 Abs. 2 GWB dürfen dem OLG Düsseldorf zufolge Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen anderen Unternehmen keine Nachteile androhen oder zufügen und keine Vorteile versprechen oder gewähren, um sie zu einem Verhalten zu veranlassen. 21 Abs. 2 GWB schütze die unternehmerische Entscheidungsfreiheit gegen bestimmte Einflussnahmen und wolle der Gefahr vorbeugen, dass Verbote des Kartellgesetzes durch Anwendung von Druck oder Lockmitteln umgangen werden (Senat, Urteil vom 18.9.2019, VI U (Kart) 3/19 Rn. 24; Senat, Beschluss vom 29.12.2004, VI-Kart 17/04 (V) Rn. 85).
Diese Grundsätze seien auch bei der Prüfung anwendbar, ob im einzelnen Fall die Erörterung oder ein Meinungsaustausch über die Preisbildung als ein im Sinne von § 21 Abs. 2 GWB unzulässiges Druckmittel anzusehen sei.
Nicht ohne weiteres und immer schon dann, wenn Lieferant und Abnehmer über die Preisbildung des letzteren sprechen, sei aber von einer kartellrechtlich verbotenen Einwirkung auf die Willensbildungs- und Entscheidungsfreiheit auszugehen. Vielmehr sei die Annahme eines unzulässigen Drucks auf die Preisgestaltung erst dann gerechtfertigt, wenn die Gesamtwürdigung ergebe, dass der Erklärungsempfänger die Äußerungen seines Gegenübers bei vernünftiger Betrachtung dahin verstehen müsse, dass von ihm ein bestimmtes Preisbildungsverhalten erwartet werde und er für den Fall der Nichterfüllung dieser Erwartung einen Nachteil erleiden werde (Senat, Urteil vom 18.9.2019, VI-U(Kart) 3/19 Rn. 25; Nothdurft in Langen/Bunte, a.a.O.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 6.11.2012, KZR 13/12 „UVP für Rucksäcke“ Rn. 5 f.).
- b) Den E-Mail-Inhalten der Beklagten seien aber keine normwidrige Drohung zu entnehmen. Die Beklagte habe der Klägerin ausdrücklich keine Nachteile mit dem Ziel angedroht, Einfluss auf die Höhe und Gestaltung der Weiterverkaufspreise der Klägerin für ihre (der Beklagten) Waren zu nehmen.
Allerdings stelle die – in die Form eines dringenden Ratschlags gekleidete – Mitteilung der Beklagten, die Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht fortsetzen zu wollen, grundsätzlich einen Nachteil im Sinne der Verbotsvorschrift des § 21 Abs. 2 GWB dar. Eine auf die Preisbindung der zweiten Hand gerichtete Drohung diene regelmäßig einer Umgehung des Verbots wettbewerbsbeschränkender Absprachen im Sinne von § 1 GWB und Art. 101 AEUV (Senat, Urteil vom 18.9.2019, VI-U(Kart) 3/19 Rn. 27). Dem Inhalt der E-Mail lasse sich aber nicht entnehmen, dass die geschäftliche Zusammenarbeit aus Sicht der Beklagten geradedeshalb beendet werden sollte, weil die Preispolitik der Klägerin nicht ihren (der Beklagten) Vorstellungen und Wünschen entspreche. Die Beklagte habe die Beendigung der Lieferbeziehung deshalb nahegelegt, weil sie die Geschäftspraktiken des Unternehmens für fragwürdig und geschäftsschädigend gehalten habe. Damit habe die die Beklagte der Klägerin nicht mit einer Beendigung der Geschäftsbeziehung gedroht, um sie zu einer Anhebung ihrer Weiterverkaufspreise zu veranlassen. Sie habe im Gegenteil ausdrücklich erklärt, keinen Einfluss auf die Preissetzung der Klägerin nehmen zu wollen. Die niedrigen Verkaufspreise habe sie ausschließlich als Indiz für einen unseriösen Geschäftsbetrieb gewertet, weil die Klägerin jene Ware weder im Lager vorrätig hielt noch bei der Beklagten bestellt hatte.
- c) Bloße Empfehlungen ohne Druckanwendung gegen den Adressaten stellen im Ergebnis nach dem OLG Düsseldorf noch kein Nachteilsandrohung dar (Markert in Immenga/ Mestmäcker, GWB, § 21 Rn. 63). Der Beklagten sei es deshalb nicht grundsätzlich verboten gewesen, mit ihren Kunden über deren Preisgestaltung zu sprechen. Entscheidend sei, dass der Austausch über die Preisbildung die Autonomie des Abnehmers bei der Preissetzung wahre und der Lieferant nicht unter Anwendung von Druckmitteln ein bestimmtes Preissetzungsverhalten der zweiten Hand durchsetzen wolle. Die Beklagte habe die beschriebene Grenze nicht überschritten. Wer den Geschäftspartner bittet, seine Preisstrategie zu überdenken, respektiere dessen Preissetzungshoheit und wirke nicht in verbotener Weise auf die Preisbildung ein (Senat, Urteil vom 18.9.2019, VI-U (Kart) 3/19 Rn. 32 zitiert nach juris).
- Es sei auch nicht das kartellrechtliche Missbrauchsverbot (§§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 1 GWB, Art. 102 AEUV) missachtet worden. Es sei nichts dafür vorgetragen, dass die Beklagte Normadressatin der genannten Kartellrechtsvorschriften sei, sie also auf dem relevanten Markt über eine marktbeherrschende Stellung (§ 19 Abs. 1 GWB, Art. 102 AEUV) oder eine relative Marktmacht (§ 20 Abs. 1 GWB) verfüge.
III. Zusammenfassung / Fazit
- Die Entscheidung des OLG Düsseldorf zeigt, dass Meinungsaustausche zwischen Lieferant und Händlern über die Preisbildung nicht stets als kartellrechtswidrige Preisabsprachen einzuordnen sind, sondern es auf den Einzelfall ankommt.
- Gerade bei Formulierungen in schriftlicher Korrespondenz oder bei Empfehlungen müssen Lieferanten äußerste Vorsicht walten lassen, um nicht die Schwelle zu einer unzulässigen, kartellrechtswidrigen Druckausübung auf die Preispolitik des Händlers zu überschreiben. Genau diese Grundsätze haben auch Franchisegeber im Verhältnis zu ihren Franchisenehmern zu beachten, wenn sich Erörterungen von Franchisegeber und Franchisenehmer sich auf die Preispolitik des Franchisenehmers gegenüber seinen Kunden bezieht.