LG Hannover, Urteil vom 06.02.1996 – 14 0 267/94

Leitsätze:

1. Zum Schadenersatzanspruch eines Franchisenehmers unter dem Gesichtspunkt der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung.

2. Zur persönlichen Schadenersatzpflicht des Geschäftsführers einer als Franchisegeber auftretenden Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

Tatbestand:

Der Kläger schloss mit der Beklagten zu l., deren Geschäftsführer damals der Beklagte zu 2. war, am 15./18.6.93 einen Franchisevertrag. Er war durch eine Annonce auf die Beklagte zu l. aufmerksam geworden. In Vorgesprächen hatte der Beklagte zu 2. hohe Erwartungen beim Kläger erweckt, zumal eine „Beispielrechnungsumsatzvorausschau“ und eine „langfristige Erfolgsbetrachtung der Marketing- und Vertriebsmethode“ vom Beklagten zu 2. zugrunde gelegt wurden, die hohe Einnahmen erwarten ließen. Der Kläger zahlte die Franchisegebühr in Höhe von 60.000,-DM nebst Mehrwertsteuer, somit insgesamt 69.000,-DM. Was daraufhin für den Kläger durch die Beklagten geleistet wurde, ist zwischen den Parteien streitig. Es steht allerdings fest, dass ein Handelsvertreterteam, wie es in I 2 Nr.8 Vertrages vorgesehen war, nicht aufgebaut wurde. Es ist ferner unstreitig, dass die Beklagte zu l. damals erst einen Franchisenehmer hatte, mit dem ein Franchisevertrag im April 93 abgeschlossen worden war. Der Kläger hatte in der Folgezeit keinerlei“ geschäftliche Erfolge; woran dies lag, ist zwischen den Parteien streitig. Durch Schreiben vom 30.6.94 kündigte er den Vertrag bzw. focht ihn an und widerrief ihn, nachdem die Beklagte zu l. den Vertrag bereits am 26.5.94 ihrerseits gekündigt hatte. Der Kläger behauptet, dass er von den Beklagten betrogen worden sei; ein tragfähiges Franchisekonzept sei überhaupt nicht vorhanden gewesen, die Beklagten hätten nur seine Unerfahrenheit ausgenutzt, um die Franchisegebühr zu erlangen. Insbesondere zeige sich dies darin, dass ein Vertreterteam, das Voraussetzung für einen geschäftlichen Erfolg hätte sein sollen, gar nicht aufgebaut worden sei. Zumindest hafteten beide Beklagten, weil sie gegen vorvertragliche Aufklärungspflichten verstoßen hätten. Sie seien daher verpflichtet, die Franchisegebühr nebst Mehrwertsteuer zurückzuzahlen. Der Kläger beantragt, wie erkannt. Die Beklagten beantragen Klageabweisung. Sie bestreiten eine Täuschung des Klägers. Ein tragfähiges Franchisekonzept habe durchaus vorgelegen. Auch sei der Kläger ausreichend in dieses Konzept eingeführt worden. Der mangelnde Erfolg des Klägers liege lediglich an seiner Unfähigkeit, das Konzept der Beklagten zu l. in die Praxis umzusetzen. Der Aufbau des Handelsvertreterteams habe nach und nach erfolgen sollen, dies sei mit dem Kläger auch so vereinbart worden. Erst recht komme eine Haftung des Beklagten zu 2. nicht in Betracht; die gegen ihn gerichteten Vorwürfe würden zurückgewiesen. Aus den Entscheidungsgründen: Der Klage war stattzugeben. Der Kläger hat gegen beide Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung der Franchisegebühr einschließlich Mehrwertsteuer. Der Kläger ist von beiden Beklagten vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt worden, § 826 BGB. Ihm ist vorgespiegelt worden, dass er durch Übernahme des XYZ Konzeptes der Beklagten zu l. in Verbindung mit dem Aufbau einer Handelsvertretermannschaft hohe Gewinne erzielen könnte, in Wirklichkeit konnte weder ein besonderes Know-how übermittelt werden, noch beabsichtigten die Beklagten, ein Handelsvertreterteam für den Kläger aufzubauen. Franchisevertrage beinhalten die Übertragung eines besonderen Know-how, also einer Gesamtheit von Kenntnissen, die auf Erfahrungen und Erprobungen durch den Franchisegeber beruhen und geheim, wesentlich und identifizierbar sind. Es genügt somit nicht eine Schulung, die zu besseren Verkaufserfolgen führen soll, sondern es muss eine objektiv feststellbare und identifizierbare Gesamtheit von Erkenntnissen vorhanden- sein, die auf einen Dritten übertragen werden kann. Die Beklagten haben nicht darlegen können, dass diese Voraussetzungen gegeben sind. Die Schrift der Beklagten zu l. „über Vertriebserfolg zum Unternehmenserfolg“ enthält im wesentlichen nur Anpreisungen dazu, wie erfolgreich die Methode der Beklagten zu l. sein soll, ferner ein Muster des Franchisevertrages, dann auf 5 Seiten Darlegungen dessen, was die Methode der Beklagten zu l. beinhalten soll und schließlich eine „Produktpreisliste“, eine Beispielsrechnung mit Umsatzvorausschau, Formularen und eine übersieht über die „Unternehmensstruktur der XYZ Marketing GmbH“. Über den Inhalt der Methode der Beklagten zu l. hat das Gericht also nur aus den genannten 5 Seiten Kenntnis gewinnen können; soweit besondere Kenntnisse in den Veranstaltungen der Beklagten zu l. vermittelt worden sein sollten, ist ihr konkreter Inhalt nicht vorgetragen worden; auch dürfte es sich dabei um Schulungen gehandelt haben, in denen kein konkretes Know-how weitergegeben worden ist, sondern lediglich In der Art von Handelsvertreterschulungen allgemeine Geschicklichkeiten im Umgang mit den Kunden vermittelt worden sind. Die ersten beiden Seiten der Darlegung der XYZ-Methode („XYZ Manager für Zeit und Selbstmanagement“, „XYZ Auftragsproduktionssystem“) besagen nur, was der „XYZ Manager“ bewirken soll, wofür er „ein hervorragendes Mittel“ sein soll und was durch die Anwendung der Auftragsproduktion erreicht werden soll. Wie dies alles im einzelnen geschehen soll, wird hier nicht ausgeführt, für den Inhalt des verkauften Know-how lässt sich aus diesen Darlegungen also nichts gewinnen. Auch die drei folgenden Seiten bringen nichts Konkretes, sondern preisen nur die „revolutionierende Erfolgsmethode, die eine komplette Bedienungsanleitung für dauerhaft erfolgreiches Verkaufen“ darstellen soll und legen dar, was die konsequente Anwendung vom Erfolgsmethode bewirken soll. Lediglich die folgende Seite mit dem Inhalt der beiden Schulungstage deutet an, auf welche Weise ein Erfolg bei den Kunden erreicht werden soll; aber auch hier handelt es sich teilweise um allgemeine Wunschvorstellungen bzw. um Selbstverständlichkeiten, die ein besonderes als Franchiseware vermittelbares Wissen vermissen lassen. Die Beklagten sind darauf hingewiesen worden, dass die verkaufte Erfolgsverkaufsmethode bisher nicht ausreichend substantiiert dargestellt worden ist. In ihrem Schriftsatz vom 29.11.95 haben sie hierzu ergänzend vorgetragen, ohne dass die Bedenken des Gerichts hierdurch beseitigt worden wären. Dass Motivation und Kundenorientierung gefördert werden sollen und dass alle Aktivitäten auf den Kunden ausgerichtet sind, sind Banalitäten, die über den Inhalt der Methode nichts besagen. Die dann genannten Komponenten lassen erkennen, dass eine Schulung der Mitarbeiter stattfinden soll, sie beinhalten jedoch nur Leerformeln, die ein konkretes Know-how nicht erkennen lassen. Die Beklagten mögen aufgrund ihrer Fähigkeiten und Erfahrungen eine sinnvolle Schulung ihrer Mitarbeiter durchgeführt haben bzw. haben durchführen wollen, Schulungen dieser Art, wie sie sehr häufig auf allen Gebieten stattfinden, sind jedoch als Grundlage für einen Franchisevertrag ungeeignet und mögen zwar zur Erhebung von Schulungsgebühren berechtigen, nicht jedoch zur Erhebung einer Franchisegebühr. Hieran ändert nichts, dass die Beklagte zu l. Eintragungen des Deutschen Patentamtes veranlasst hat. Die vorgelegten Eintragungsnachrichten besagen nichts über den Inhalt der Patente, sie bringen somit auch keine Aufklärung über den Inhalt des angeblich verkauften Franchisewissens. Darüber hinaus steht fest, dass die Beklagte zu l. den mit dem Kläger abgeschlossenen Franchisevertrag nicht eingehalten hat. In § 2 Nr. 8 des Vertrages hat die Beklagte zu l. zugesichert, bei der Rekrutierung der Handelsvertreter die Aufgabe der Auswahl der geeigneten Handelsvertreter, inklusive aller zu führenden Gespräche vor Ort, zu übernehmen, ferner die Ausbildung und ständige Weiterbildung der Handelsvertreter. Ausdrücklich wird im Vertrag vorgesehen, dass zum Zwecke des erfolgreichen Geschäftsbetriebes ein Team von maximal 20 Handelsvertretern aufgebaut und hierfür ein Zeitraum 9 Monaten vorgesehen wird. Im Zusammenhang hiermit muss das Schreiben der Beklagten zu l. vom 11.6.93 gesehen werden, in dem es heißt, dass der Aufbau der Handelsvertretermannschaft des Klägers vollständig von der Beklagten zu l. durchgeführt werde und dass der Kläger zum Zeitpunkt seines Arbeitsbeginns bereits eine aktive, geschulte und motivierte Vertriebsmannschaft vorfinden werde. Dieser Zusicherung ist die Beklagte zu l. in keiner Weise nachgekommen. Trotz Mahnung durch den Kläger (Schreiben vom 19.3.94 und vom 30.4.94) fand die Beklagte zu l. lediglich einen Vertreter, der dann nicht einmal für den Kläger tätig wurde. Damit war die Voraussetzung für eine erfolgreiche Tätigkeit des Klägers nicht gegeben. Dem Vortrag der Beklagten, es handele sich bei der Anstellung von Handelsvertretern nur um einen Weg von vielen anderen, kann im Hinblick auf den eindeutigen Inhalt des Franchisevertrages nicht gefolgt werden; die Anwerbung und Tätigkeit von Handelsvertretern sollte offensichtlich eine ganz wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Tätigkeit des Franchisenehmers seien. Beiden Beklagten ist vorzuwerfen, dass sie dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenen Weise vorsätzlich Schaden zugefügt haben; sie sind ihm daher zum Schadensersatz verpflichtet, § 826 BGB. Auszugehen ist dabei von den vollmundigen Versprechungen, die dem Kläger von beiden Beklagten gemacht worden sind. Bereits die Annonce, die den Anstoß für die Bewerbung des Klägers gegeben hat, spricht von realistischen Einkommensmöglichkeiten nach einer Aufbauphase in Höhe von 75.000,-DM monatlich und mehr. Auch wird in dieser Anzeige vorgespiegelt, dass es sich um ein eingearbeitetes Unternehmen handelt, bei dem noch diverse Gebiete in Deutschland zu besetzen seien. In Wirklichkeit hatte die Beklagte zu l.. zu diesem Zeitpunkt lediglich einen einzigen Franchisenehmer, was dann allerdings dem Kläger auch mitgeteilt worden ist. Die „BeispieIrechnungumsatzvorschau“ und die „langfristige Erfolgsbetrachtung der XYZ Methode“ gehen von hohen Einnahmen aus. Dementsprechend hoch war die vom Kläger zu leistende Franchisegebühr. Die Gegenleistung der Beklagten zu l. bestand jedoch lediglich in mehrmaligen Schulungen, ohne dass ein verwertbares objektivierbares Know-how übertragen wurde; der versprochene Aufbau einer HandeIsvertretermannschaft unterblieb ganz. Dieses Verhalten muss als sittenwidrig angesehen werden. Die vom Kläger aufgewendeten Mittel standen im Verhältnis zu dem erreichten Zweck unter Berücksichtigung der oben genannten Umstände außer Verhältnis. Beide Beklagten kannten alle diese haftungsbegründenden Umstände bzw. verschlossen sich einer solchen Kenntnis zumindest grob leichtfertig. Beide Beklagten hatten das Bewußtsein, dass ihr Handeln zum schädlichen Erfolg beim Kläger führen werde. Ihnen war insbesondere bewusst, dass nicht ein besonders Know-how vermittelt wurde, sondern dass es sich in Wirklichkeit um eine Schulung handelte, sowie dass ohne den Aufbau einer Handelsvertretermannschaft ein finanzieller Erfolg für den Kläger nicht eintreten konnte; wie sich aus ihrem nachfolgenden Verhalten ergibt, hatten sie von vornherein nicht vor, dem Kläger die erforderliche Handelsvertretermannschaft zu stellen. Unter diesen Umständen haftet nicht nur die Beklagte zu 1, die diesen Vertrag mit dem Kläger abgeschlossen hat, sondern auch der Beklagte zu 2. Dieser war Geschäftsführer der Beklagten zu 1.; er war es , der als Kopf hinter der Franchiseidee stand und alle Verhandlungen mit dem Kläger führte. Ein sittenwidriges Verhalten muss ihm persönlich zur Last gelegt werden; alle hierfür erforderlichen Voraussetzungen waren in seiner Person begründet. Beide Beklagten sind somit verpflichtet, Schadenersatz an den Kläger zu leisten. die Höhe folgt aus den vom Kläger geleisteten 69.000,– DM, wobei auch die  Mehrwertsteuer zu berücksichtigen war. Irgendwelche Abzüge hiervon sind nicht vorzunehmen; es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger messbare Vorteile aus der Tätigkeit der Beklagten gewonnen hat.

Kommentare sind geschlossen.