Leitsatz
Unternehmer- (§ 14 BGB) und nicht Verbraucherhandeln (§ 1031 V 1 ZPO i.V. mit § 13 BGB) liegt schon dann vor, wenn das betreffende Geschäft im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit (so genannte Existenzgründung) geschlossen wird. Das gilt für den Erwerb eines Anteils an einer freiberuflichen Gemeinschaftspraxis ebenso wie für die Anmietung von Geschäftsräumen oder den Abschluss eines Franchisevertrags.
Sachverhalt:
Die Ast. war angestellte Ärztin an einem Krankenhaus. Sie wollte sich als Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe selbstständig machen. Zu diesem Zweck erwarb sie am 23. 4. 2002 einen Praxisanteil von Dr. K, der zusammen mit dem Ag. eine Gemeinschaftspraxis betrieb. Ferner schloss sie am 29. 5. 2002 einen Gemeinschaftspraxisvertrag mit dem Ag. Die Ast. war damals bis zum 30. 6. 2002 noch angestellte Assistenzärztin; sie wurde zum 1. 7. 2002 als Vertragsärztin zugelassen. Im Juni 2003 kündigte der Ag. den mit der Ast. bestehenden Gemeinschaftspraxisvertrag und verlangte die Zahlung einer Abfindung. Die Ast. war dazu nicht bereit. Der Ag. leitete wegen dieser Streitigkeit ein Schiedsverfahren ein. Er stützt sich auf § 29 des Gemeinschaftspraxisvertrags, wonach alle Streitigkeiten aus dem Vertrag unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs von einem Schiedsgericht entschieden werden. Die Ast. hält das Schiedsverfahren für unzulässig. Die Schiedsklausel im Gemeinschaftspraxisvertrag sei unwirksam. Sie, die Ast., sei bei Abschluss des Gemeinschaftspraxisvertrags Verbraucherin gewesen. Der Schiedsvertrag habe deshalb nicht – wie hier – in einer Klausel in einem Vertrag, sondern in einer besonderen, von den Parteien eigenhändig unterzeichneten Urkunde, die nur sich auf das schiedsrichterliche Verfahren bezogene Vereinbarungen habe enthalten dürfen, getroffen werden können.
Die Ast. hat beantragt festzustellen, dass das vom Ag. nach § 29 des Gemeinschaftspraxisvertrags eingeleitete Schiedsverfahren unzulässig ist. Das OLG hat diesen Antrag zurückgewiesen und auf Antrag des Ag. festgestellt, dass die zwischen den Parteien mit Gemeinschaftspraxisvertrag vom 29. 5. 2002 unter § 29 vereinbarte Schiedsklausel wirksam ist (NJW 2004, 3192). Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe:
Existenzgründer als Unternehmer – Schiedsklausel im Gemeinschaftspraxisvertrag BGH, Beschluß vom 24. 2. 2005 – III ZB 36/04 (OLG Düsseldorf) Unternehmer- (§ 14 BGB) und nicht Verbraucherhandeln (§ 1031 V 1 ZPO i.V. mit § 13 BGB) liegt schon dann vor, wenn das betreffende Geschäft im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit (so genannte Existenzgründung) geschlossen wird. Das gilt für den Erwerb eines Anteils an einer freiberuflichen Gemeinschaftspraxis ebenso wie für die Anmietung von Geschäftsräumen oder den Abschluss eines Franchisevertrags. (Satz 2 des Leitsatzes von der Redaktion) Sachverhalt: Die Ast. war angestellte Ärztin an einem Krankenhaus. Sie wollte sich als Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe selbstständig machen. Zu diesem Zweck erwarb sie am 23. 4. 2002 einen Praxisanteil von Dr. K, der zusammen mit dem Ag. eine Gemeinschaftspraxis betrieb. Ferner schloss sie am 29. 5. 2002 einen Gemeinschaftspraxisvertrag mit dem Ag. Die Ast. war damals bis zum 30. 6. 2002 noch angestellte Assistenzärztin; sie wurde zum 1. 7. 2002 als Vertragsärztin zugelassen. Im Juni 2003 kündigte der Ag. den mit der Ast. bestehenden Gemeinschaftspraxisvertrag und verlangte die Zahlung einer Abfindung. Die Ast. war dazu nicht bereit. Der Ag. leitete wegen dieser Streitigkeit ein Schiedsverfahren ein. Er stützt sich auf § 29 des Gemeinschaftspraxisvertrags, wonach alle Streitigkeiten aus dem Vertrag unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs von einem Schiedsgericht entschieden werden. Die Ast. hält das Schiedsverfahren für unzulässig. Die Schiedsklausel im Gemeinschaftspraxisvertrag sei unwirksam. Sie, die Ast., sei bei Abschluss des Gemeinschaftspraxisvertrags Verbraucherin gewesen. Der Schiedsvertrag habe deshalb nicht – wie hier – in einer Klausel in einem Vertrag, sondern in einer besonderen, von den Parteien eigenhändig unterzeichneten Urkunde, die nur sich auf das schiedsrichterliche Verfahren bezogene Vereinbarungen habe enthalten dürfen, getroffen werden können. Die Ast. hat beantragt festzustellen, dass das vom Ag. nach § 29 des Gemeinschaftspraxisvertrags eingeleitete Schiedsverfahren unzulässig ist. Das OLG hat diesen Antrag zurückgewiesen und auf Antrag des Ag. festgestellt, dass die zwischen den Parteien mit Gemeinschaftspraxisvertrag vom 29. 5. 2002 unter § 29 vereinbarte Schiedsklausel wirksam ist (NJW 2004, 3192). Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Entscheidungsgründe: II. 2. Das OLG hat ohne Rechtsfehler die Zulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens festgestellt (§ 1032 II ZPO). Die Parteien haben in § 29 des beiderseits unterzeichneten, schriftlichen Gemeinschaftspraxisvertrags vom 29. 5. 2002 eine formwirksame Schiedsvereinbarung in Gestalt einer Schiedsklausel getroffen (§§ 1029 I, II Alt. 2, 1031 I Alt. 1 ZPO). Die bei Beteiligung eines Verbrauchers geltenden strengeren Formvorschriften (vgl. § 1031 V ZPO), die hier unstreitig nicht erfüllt sind, greifen nicht Platz. Denn die Ast. war bei Abschluss des Gemeinschaftspraxisvertrags nicht Verbraucher i.S. des § 1031 V 1 ZPO; für den Ag. ist dies ohnehin außer Streit. a) Verbraucher i.S. des § 1031 V 1 ZPO i.V. mit § 13 BGB ist eine natürliche Person, die bei dem Geschäft, das Gegenstand der Streitigkeit ist, zu einem Zweck handelt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. So lautete auch die ursprünglich in § 1031 V 3 ZPO in der Neufassung durch das am 1. 1. 1998 in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts (Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz) vom 22. 12. 1997 (BGBl I, 3224) bestimmte Legaldefinition. Der Wortlaut ging auf einen Vorschlag des Bundesrats zurück, der sich seinerseits an dem Verbraucherbegriff des Art. 2 lit. b der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. 4. 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABlEG Nr. L 95 v. 21. 4. 1993, S. 29: „Verbraucher: Eine natürliche Person, die bei Verträgen, die unter diese Richtlinie fallen, zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann“) orientierte (vgl. Entw. eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts, BT-Dr 13/5274, 73 [Stellungnahme des BR], u. S. 76 [Gegenäußerung der BReg.]). § 1031 V 3 ZPO in der Fassung des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes wurde zwar durch Art. 9 Nr. 7 des Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27. 6. 2000 (BGBl I, 897) mit Wirkung vom 30. 6. 2000 aufgehoben. Die Vorschrift wurde zu Gunsten der durch dieses Gesetz (Art. 2 I Nr. 1) neu in das BGB eingefügten Verbraucherdefinition (§ 13 BGB), die grundsätzlich Gültigkeit für das gesamte Zivil- und Zivilverfahrensrecht haben sollte (vgl. Schmidt-Räntsch, in: Bamberger/Roth, BGB, 2003, § 13 Rdnr. 12), aufgegeben (vgl. Begr. der BReg. zu dem Entw. eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro, BT-Dr 14/2658, S. 29, 47f. [zu § 361a BGB-E]; Beschlussempfehlung und Ber. des Rechtsausschusses zu dem vorgenannten GE, BT-Dr 14/3195, S. 27f., 37). Inhaltliche Änderungen sollten sich dadurch aber nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht ergeben (vgl. BT-Dr 14/3195, S. 37). b) Unternehmer- (§ 14 BGB) und nicht Verbraucherhandeln (§ 1031 V 1 ZPO i.V. mit § 13 BGB) liegt schon dann vor, wenn das Geschäft, das Gegenstand der Streitigkeit ist, im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit (sog. Existenzgründung) geschlossen wird (h.M.: OLG Rostock, NotBZ 2003, 242 = ZVI 2003, 332 = OLG-Report 2003, 505 [506ff.], zu § 13 BGB, §§ 24, 24a AGBG; OLG Oldenburg, NJW-RR 2002, 641, zu § 24 AGBG und zu der oben genannten Richtlinie 93/13/EWG; s. auch BGH, NJW 1994, 2759, zu § 6 Nr. 1 Alt. 1 HWiG; Staudinger/Weick, BGB, Neubearb. 2004, § 13 Rdnrn. 55ff. [60]; Soergel/Pfeiffer, BGB, 13. Aufl. [2002], § 13 Rdnr. 35; Erman/Saenger, BGB, 11. Aufl. [2004], § 13 Rdnr. 16, § 14 Rdnr. 14; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl. [2001], § 24a Rdnr. 25; in diesem Sinne auch Münch, in: MünchKomm-ZPO, 2. Aufl. [2001], § 1031 Rdnr. 23; a.A. OLG Koblenz, NJW 1987, 74, zu § 24 AGBG; OLG Nürnberg, OLG-Report 2003, 335, zu § 13 BGB, § 24a AGBG; s. auch OLG München, NJW-RR 2004, 913 [914], zu § 312c I 1 Nr. 1 BGB; Micklitz, in: MünchKomm, 4. Aufl. [2001], § 13 Rdnrn. 38ff. u. § 14 Rdnr. 22; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl. [2005], § 13 Rdnr. 3; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl. [1999], Art. 2 der Richtlinie Rdnr. 7). aa) Nach dem Wortlaut der Verbraucherdefinition des § 13 BGB (i.V. mit § 1031 V 1 ZPO) ist die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Verhaltens entscheidend. Das Gesetz stellt nicht auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein geschäftlicher Erfahrung, etwa auf Grund einer bereits ausgeübten gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit, ab (vgl. BGH, NJW 1994, 2759 [2760]; OLG Rostock, NotBZ 2003, 242 = ZVI 2003, 332 = OLG-Report 2003, 505 [506]; abw. OLG Koblenz, NJW 1987, 74). Es kommt vielmehr darauf an, ob das Verhalten der Sache nach dem privaten – dann Verbraucherhandeln – oder dem gewerblich-beruflichen Bereich – dann Unternehmertum – zuzuordnen ist (vgl. Schmidt-Räntsch, in: Bamberger/Roth, § 13 Rdnr. 9, § 14 Rdnr. 10). Rechtsgeschäfte im Zuge einer Existenzgründung, zum Beispiel die Miete von Geschäftsräumen, der Abschluss eines Franchisevertrags oder der Kauf eines Anteils an einer freiberuflichen Gemeinschaftspraxis, wie er hier vorlag, sind nach den objektiven Umständen klar auf unternehmerisches Handeln ausgerichtet. bb) Es besteht ferner kein Anlass, demjenigen Verbraucherschutz zu gewähren, der sich für eine bestimmte gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit entschieden hat und diese vorbereitende oder unmittelbar eröffnende Geschäfte abschließt. Denn er begibt sich damit in den unternehmerischen Geschäftsverkehr. Ein Existenzgründer agiert nicht mehr „von seiner Rolle als Verbraucher her“ (so aber Micklitz, in: MünchKomm, § 13 Rdnr. 41). Er gibt dem Rechtsverkehr zu erkennen, dass er sich nunmehr dem Recht für Unternehmer unterwerfen und dieses seinerseits auch in Anspruch nehmen will (vgl. Staudinger/Weick, § 13 Rdnr. 60; OLG Oldenburg, NJW-RR 2002, 641 [642]). cc) § 507 BGB bestimmt, dass die Vorschriften über Verbraucherdarlehen usw. auch für entsprechende Geschäfte zum Zweck der Aufnahme einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit gelten, allerdings nur bis zur Höhe von 50000 Euro. Damit werden die Existenzgründer in dieser Beziehung und innerhalb dieser Begrenzung Verbrauchern gleichgestellt. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber den Existenzgründer grundsätzlich nicht als Verbraucher ansieht (vgl. Soergel/Pfeiffer, § 13 Rdnr. 35, unter Hinw. auf die Mat. zur Schuldrechtsreform 2001, BT-Dr 14/6857, S. 32f. [Stellungnahme des BR] und S. 64f. [Gegenäußerung der BReg.]; Erman/Saenger, § 13 Rdnr. 16, § 14 Rdnr. 14; OLG Rostock, NotBZ 2003, 242 = ZVI 2003, 332 = OLG-Report 2003, 505 [507f.]; s. auch BGHZ 128, 156 [163] = NJW 1995, 722, zu § 1 I VerbrKrG einerseits, § 6 Nr. 1 Alt. 1 HWiG andererseits; Reiff, in: AnwKomm-BGB, 2001, § 507 Rdnrn. 1f.; a.A. Palandt/Heinrichs, § 13 Rdnr. 3; vgl. zudem Staudinger/Weick, § 13 Rdnr. 59). dd) Die Auffassung, dass Existenzgründer nicht Verbraucher i.S. des § 1031 V 1 ZPO sind, steht schließlich in Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH zu vergleichbaren europarechtlichen Vorschriften. Dieser hat entschieden, dass die Art. 13 I und 14 I des Übereinkommens vom 27. 9. 1968 (BGBl II 1972, 773) über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) in der Fassung des Übereinkommens vom 9. 10. 1978 (BGBl II 1983, 802) dahin auszulegen sind, dass ein Kl., der einen Vertrag zum Zweck der Ausübung einer nicht gegenwärtigen, sondern zukünftigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit geschlossen hat, nicht als Verbraucher angesehen werden kann (RIW 1997, 775 = WM 1997, 1549 = JZ 1998, 896 [897] m. Anm. Mankowski – Benincasa/Dentalkrit Srl.). Das europarechtliche Verständnis des Verbraucherbegriffs kann für die Auslegung des § 1031 V 1 ZPO herangezogen werden, weil diese Bestimmung, wie schon dargelegt, eine gemeinschaftsrechtliche Vorschrift zum Vorbild hatte (vgl. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 6. Aufl. [2000], Kap. 5 Rdnr. 16; s. auch OLG Rostock, NotBZ 2003, 242 = ZVI 2003, 332 = OLG-Report 2003, 505 [506f.]; OLG Oldenburg, NJW-RR 2002, 641). c) Die Ast. war Existenzgründerin im vorbeschriebenen Sinn. Mit Vertrag vom 23. 4. 2002 hatte sie den „Praxisanteil“ von Dr. K, des früheren Sozius des Ag., erworben und sich damit entschieden, selbstständig tätig zu sein. Der dann mit dem Ag. geschlossene Gemeinschaftspraxisvertrag vom 29. 5. 2002 eröffnete der Ast. die bald darauf begonnene freiberufliche und damit unternehmerische (§ 14 BGB) Tätigkeit als Ärztin. Sie kann daher bereits bei Abschluss dieses Vertrags nicht mehr als Verbraucherin angesehen werden; die Schiedsklausel in § 29 des Gemeinschaftspraxisvertrags unterlag nicht den verbraucherschützenden Formerfordernissen des § 1031 V ZPO.