Bisweilen werden bei Franchise- und Vertriebsverträgen Widerrufsbelehrungen erteilt, obwohl eine Widerrufsbelehrung gesetzlich gar nicht erforderlich ist. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Franchisevertrag keine unmittelbare oder mittelbare Warenbezugsbindung im Sinne des § 510 Abs. 1 Nr. 3 BGB enthält und damit ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB nicht besteht.
In diesem Fällen stellt sich zunächst die Frage, ob mit der Widerrufsbelehrung ein vertragliches Widerrufsrecht eingeräumt wird. Gerade bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wie dies bei vorformulierten Vertriebsverträgen regelmäßig der Fall ist, kann eine gerichtliche Auslegung dazu kommen (vgl. dazu: BGH v. 06.12.211, Az. XI ZR 401 / 10 in Newsletter Franchiserecht 3/2012).
In einem zweiten Schritt stellt sich dann die weitere Frage, ob für die Ausübung dieses vertraglichen Widerrufsrechtes die sonstigen gesetzlichen Anforderungen der §§ 355, 360 BGB gelten sollen. Nach der hier zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes bedarf es konkreter Anhaltspunkte dafür, dass bei Fehlen der Voraussetzung eines gesetzlichen Widerrufsrechtes der Fristbeginn für die Ausübung des (vertraglichen) Widerrufsrechtes nur dann angesetzt werden soll, wenn der Unternehmer eine Belehrung erteilt hat, die den gesetzlichen Anforderungen nach dem § 355 BGB entspricht. Für die Annahme, dass der Fristbeginn auch im Falle eines möglicherweise vereinbarten vertraglichen Widerrufsrechtes von diesem gesetzlichen Anforderungen abhängig sein soll, reicht nicht aus, dass sich der Unternehmer bei der Formulierung der Widerrufsbelehrung an den Vorgaben des gesetzlichen Widerrufsrechtes bzw. des Musters in der Anlage 1 zu Art. 246 § 2 Abs. 3 S. 1 EGBGB gehalten hat und für den Falle des Eingreifens eines gesetzlichen Widerrufsrechtes mit der Belehrung die zusätzlichen Anforderungen erfüllen wollte.
Im Ergebnis ist daher, soweit anderweitige Anhaltspunkte nicht bestehen, im Falle eines vertraglich eingeräumten Widerrufsrechtes nicht davon auszugehen, dass die gesetzlichen Anforderungen an die Widerrufsbelehrung und damit auch die Sanktionen des § 355 Abs. 4 BGB für eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung im Falle eines gesetzliches Widerrufsrechtes eingreifen. Nach § 355 Abs. 4 BGB erlischt nämlich das gesetzliche Widerrufsrecht nicht, wenn nicht ordnungsgemäß entsprechend den Anforderungen des § 360 BGB über das Widerrufsrecht belehrt worden ist.
Fazit: Beide Vertragsparteien sollten darauf achten, ob bei einem Franchise- / Vertriebsvertrag eine Widerrufsbelehrung erteilt wird und ob diese aus einem gesetzlich bestehenden Widerrufsrecht resultiert. Ist dies nicht der Fall, mag zwar ein vertragliches Widerrufsrecht in Betracht kommen. Mit der hier zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes sind die weiteren gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung bei einem gesetzlichen Widerrufsrecht auf ein nur vertraglich vereinbartes Widerrufsrecht jedoch nicht anwendbar. In sorgfältig formulierten Franchise- / Vertriebsverträgen wird jedoch ohnehin bereits die Formulierung enthalten sein, dass mit der zum Franchise- / Vertriebsvertrag erteilten Widerrufsbelehrung bereits kein eigenes vertragliches Widerrufsrecht eingeräumt werden soll.