Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte sich in seinem Beschluss vom 03.05.2012 (Az. 20 Ta 367/12) mit der Frage zu befassen, ob der Franchisenehmer als Arbeitnehmer oder aber als selbstständiger Vertriebspartner einzuordnen war. Streitgegenständlich war ein Franchisevertrag im Bereich des Vertriebes von bundesweiten Kosmetik-Produkten und Dienstleistungen. Teilweise wurden einzelne Filialen mit Arbeitnehmern, teilweise mit Franchisenehmern betrieben. Das von der klagenden Franchisenehmerin betriebene PKH-Verfahren war zunächst vom Landgericht Stuttgart durch Beschluss an das zuständige Arbeitsgericht Berlin verwiesen worden, da die Franchisenehmerin in dem Verfahren behauptet hatte, es habe kein Franchiseverhältnis, sondern ein Arbeitsverhältnis bestanden. Nachdem das Arbeitsgericht Berlin mangels Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage zurückgewiesen hatte, musste das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg im Beschwerdeverfahren über den PKH-Antrag der Franchisenehmerin entscheiden. Die zu entscheidende Frage war für die Franchisegeberin von immenser (auch finanzieller) Bedeutung.
Wird ein vermeintlich selbstständiger Vertriebspartner / Franchisenehmer tatsächlich als Arbeitnehmer beschäftigt, sind vor allem die Beiträge für die Sozialversicherung nachzuentrichten. Dabei darf der vermeintliche Franchisegeber / Arbeitgeber den unterbliebenen Abzug nur bei den nächsten drei Lohn- und Gehaltszahlungen nachholen (§ 28g S. 3 SGB IV), so dass die wesentlichen finanziellen Lasten beim Franchisegeber verbleiben. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat dahingestellt bleiben lassen, ob die Verweisung an das Arbeitsgericht Berlin zulässig war. In der Sache selbst hat es die Arbeitnehmereigenschaft der klagenden Franchisenehmerin verneint. Arbeitnehmer sei, so führt das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit der ganz herrschenden Auffassung im Schrifttum und in der Rechtsprechung aus, nur derjenige, der weisungsgebunden die vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von seinem Vertragspartner bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Der hierfür erforderliche Grad persönlicher Abhängigkeit zeige sich daran, dass der Beschäftigte ein Direktionsrecht seines Vertragspartners hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer, Ort und allen sonstigen Modalitäten der zu erbringenden Tätigkeit unterliegt. Entsprechend § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB sei dagegen selbstständig, wer im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit frei bestimmen könne.
Für die Abgrenzung seien dafür in erster Linie die tatsächlichen Umstände der Leistungserbringung von Bedeutung, nicht jedoch die Bezeichnung, die die Parteien dem Rechtsverhältnis gegeben haben oder gar die von ihnen gewünschte Rechtsfolge (ebenso: BAG, Urteil vom 16.07.1997, Az. 5 AZR 312/96). Erst sofern nach dieser Prüfung die Tätigkeit sowohl einem Arbeitsverhältnis als auch einer selbstständigen Franchisetätigkeit zugeordnet werden kann, kann die Entscheidung der Vertragsparteien für einen bestimmten Vertragstypus im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalles herangezogen werden (ebenso: BAG, Urteil vom 09.06.2010, Az. 5 AZR 332/09).
Im Ergebnis verneinte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg das Vorliegen einer persönlichen Abhängigkeit der klagenden Franchisenehmerin und damit das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses:
Fazit: Bei der Gestaltung von Franchise- und Vertriebsverträgen muss weiterhin auf die genaue Abgrenzung zwischen einem Arbeitsverhältnis und einer selbstständigen Tätigkeit geachtet werden. Für Franchisenehmer können sich bei nicht sauberer Gestaltung des Franchisevertrages erhebliche Druckmittel gegen den Franchisegeber im Rahmen einer Auseinandersetzung ergeben. Franchisegeber sollten demgegenüber notfalls Rechtsrat sowohl bei der Gestaltung des Franchisevertrages als auch bei der sonstigen Implementierung von umfassenden Vorgaben bei Arbeitsabläufen gegenüber dem Franchisenehmer einholen (z. B. im Franchisehandbuch), um hier für den „worst case“ zumindest haftungsrechtlich abgesichert zu sein.