Das OLG Frankfurt a.M. hat sich in seinem Urteil vom 03.06.2016, Az. 13 U 107/14 mit den Aufklärungspflichten eines Franchisegebers beim Abschluss von Reservierungsvereinbarungen, die vor dem eigentlichen Franchisevertrag geschlossen werden, beschäftigen müssen.
I. Sachverhalt
1. Der klagende Franchisenehmer-Interessent begehrte von der beklagten Franchisegeberin die Rückzahlung einer Reservierungsgebühr in Höhe von € 15.000,00, die er vor Abschluss eines Franchisevertrages zum Betrieb eines Instituts zur dauerhaften Haarentfernung auf der Grundlage einer Reservierungsvereinbarung gezahlt hatte. Der Abschluss des Franchisevertrages kam später nicht mehr zustande.
2. Der Kläger besuchte im Juni 2012 eine Informationsveranstaltung der Beklagten, bei welcher ihm Informationsunterlagen überreicht wurden. Am 01.09.2012 schlossen die Parteien eine Reservierungsvereinbarung mit einer Laufzeit von drei Monaten ab. Als Gegenleistung für die unter § 1 der Reservierungsvereinbarung aufgelisteten Leistungen der Beklagten (Reservierung eines Vertragsgebietes, Standortberatung und Unterstützung bei der Standortsuche, Hilfestellung bei der Suche und Auswahl von Mitarbeitern, etc.) zahlte der Kläger eine Vergütung in Höhe von € 15.000,00 zzgl. Mehrwertsteuer.
Nach Abschluss der Reservierungsvereinbarung nahm der Kläger an Schulungen der Beklagten teil und es kam zu umfangreichen Gesprächen bezüglich der geplanten Zusammenarbeit. Der Kläger erhielt ferner ein Informationspaket für Franchisenehmer-Interessenten. Die Parteien erörterten zudem per E-Mail Einzelfragen zu den wirtschaftlichen Kennzahlen aus dem Informationspaket der Beklagten.
3. Weder während der Laufzeit der Reservierungsvereinbarung, noch in der Folgezeit kam es zum Abschluss eines Franchisevertrages. Mit Schreiben vom 11.02.2013 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten die Anfechtung der Reservierungsvereinbarung wegen Irrtums und arglistiger Täuschung sowie die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund. Er forderte die Rückzahlung der Reservierungsgebühr.
Der Kläger war der Ansicht, dass für die Beklagte die Aufklärungspflicht vor Abschluss von Franchiseverträgen auch vor Abschluss der Reservierungsvereinbarung gelte und die Beklagte diese Pflicht nicht ausreichend erfüllt habe. Beide Verträge seien zeitlich ohnehin zusammen zu sehen. Der Ausschluss der Rückzahlungspflicht der Reservierungsvereinbarung benachteilige ihn zudem unangemessen und die Beklagte benutze unwirksame Vertragsklauseln im Franchisevertrag. Er sei daher zur Anfechtung berechtigt gewesen.
4. Erstinstanzlich wurde die Klage abgewiesen. Ansprüche des Franchisenehmer-Interessenten auf Schadensersatz wegen Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht sowie aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen Anfechtung des Vertrages seien nicht gegeben.
II. Entscheidungsgründe
Das OLG Frankfurt a. M. bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und lehnte die vom Kläger geltend gemachten Schadensersatz- und Rückzahlungsansprüche wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzungen ab.
1. In der obergerichtlichen Rechtsprechung sei anerkannt, dass den Franchisegeber zwei Arten von Pflichten bei den Vertragsbehandlungen mit potentiellen Franchisenehmern treffen. Franchisegebern sei es zum einen verboten, potentielle Franchisenehmer über vertragswesentliche Umstände zu täuschen. Zum anderen seien Franchisegeber verpflichtet, potentielle Franchisenehmer über solche Umstände von sich aus ungefragt aufzuklären, die alleine ihnen bekannt seien bekannt sind und von denen sie wissen oder wissen müssen, dass die Entscheidung des Franchisenehmers durch ihre Kenntnis beeinflusst werde. Die betreffe vor allem all die Umstände, die für den geschäftlichen Erfolg des Franchisenehmers maßgeblich seien. Im Übrigen gelte auch bei Franchiseverträgen wie bei allen anderen Verträgen, dass es jeder Vertragspartei obliege, sich über die Risiken und Chancen einer geschäftlichen Verbindung zu informieren. Der Franchisegeber habe nicht die Aufgabe eines Existenzgründungsberaters.
2. Danach liege hier keine Täuschung vor, die zu einem Anspruch wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten oder zum Recht auf Anfechtung wegen Irrtums oder Täuschung führe. Im Ergebnis sei von zwei verschiedenen Verträgen auszugehen und auch der Umfang der vorvertraglichen Aufklärung gesondert zu bestimmen.
a) Vorliegend habe der Kläger nach einem regen Austausch mit dem Geschäftsführer der Beklagten vom Abschluss eines Franchisevertrages Abstand genommen. Die Reservierungsvereinbarung und der Franchisevertrag seien klar voneinander zu trennen.
b) Eine Vorverlagerung der Aufklärungspflichten des Franchisegebers auf den Abschluss der Reservierungsvereinbarung sei als überzogen anzusehen. Die Verträge unterschieden sich nicht nur durch die unterschiedlichen Leistungspflichten, sondern auch durch ihre zeitliche Bindung. Während der dreimonatigen Vertragsbindung bei der Reservierungsvereinbarung erhalte der Kläger als Gegenleistung für die Reservierungsgebühr die in der Reservierungsvereinbarung aufgelisteten Leistungen. Diese beschränkten sich nicht nur auf die Reservierung eines bestimmten Gebietes, sondern umfassten beispielsweise auch die Hilfestellung bei der Suche und Auswahl von Mitarbeitern.
c) Die Bindung in der Reservierungsvereinbarung mit einer Laufzeit von drei Monaten sei überschaubar, während der Abschluss eines Franchisevertrages mit einer Laufzeit von 60 Monaten weitreichendere wirtschaftliche Konsequenzen für den Franchisenehmer nach sich ziehe. Auch sei in § 3 Ziffer 1. der Reservierungsvereinbarung geregelt gewesen, dass keine Verpflichtung zum Abschluss eines Franchisevertrages bestehe.
d) Die Anrechnung der Reservierungsgebühr auf die im Falle des Abschlusses des Franchisevertrages zu zahlende Eintrittsgebühr stelle eine Art Bonus dar, die zu einer Reduzierung der Entgeltleistungen im Franchisevertrag führe. Eine rechtliche Verknüpfung der Reservierungsvereinbarung mit dem Franchisevertrag liege jedoch nicht vor. Auch hier sei die fehlende Verpflichtung zum Abschluss eines Franchisevertrages gemäß § 3 Ziffer 1. der Reservierungsvereinbarung hervorzuheben.
3. Aufgrund der Selbstständigkeit der beiden Verträge komme eine AGB-rechtliche Überprüfung der Regelungen des Franchisevertrages nicht in Betracht.
Zudem seien nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB aller Bestimmungen einer Inhaltskontrolle entzogen, die die wechselseitigen Hauptleistungen – also Leistung und Gegenleistung – regelten.
4. soweit der Kläger erst im Februar 2013 die außerordentliche Kündigung der Reservierungsvereinbarung erklärt habe, sei dies verspätet, da bereits mehr als zwei Monate seit Abschluss der Reservierungsvereinbarung vergangen seien.
III. Fazit
Mit der Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. liegt erstmals eine obergerichtliche Entscheidung zu der Rechtsfrage vor, welche Aufklärungspflichten den Franchisegeber vor und bei Abschluss einer Reservierungsvereinbarung vor dem Abschluss eines Franchisevertrages treffen.Das OLG Frankfurt a. M. lehnt einen Gleichlauf der Aufklärungspflichten in beiden Vertragssituationen ab. Reservierungsvereinbarungen seien sowohl zeitlich, als auch rechtlich von einem Franchisevertrag zu unterscheiden, da sie unterschiedliche wechselseitige Leistungspflichten enthielten. Diese Einschätzung dürfte jedenfalls dann der herrschenden Meinung im Schrifttum entsprechen, wenn eine Verpflichtung zum Abschluss eines Franchisevertrages in der Reservierungsvereinbarung nicht enthalten ist.